Truppenübungsplatz Gruppa, den 5.10.13, Friedenszeit:
Schon wieder ein Sonntag am Himmel, wo sind wir mittlerweile hingeraten. So weit war ich überhaupt noch nicht von zu Hause weg. Denn von Dienstag Abend ½11 Uhr bis Donnerstag Mittag ½1 Uhr haben wir ununterbrochen auf der Bahn gelegen, netto 38 Stunden. Sind bloß 3 mal unterwegs ausgestiegen, eine knappe Stunde: 1 mal Erbsensuppe und 2 mal Kaffee empfangen. Schuhe in der Zeit nicht ausgekriegt und auch nicht mal ordentlich gewaschen. Die Fahrt ging über Hannover, Berlin, Bromberg bis hier nach Gruppa bei Graudenz. Hier angekommen, sofort eingeteilt und ins Lager. Essen empfangen, die Sachen lagen schon auf den Stuben.
Um 5 Uhr waren wir schon wieder alle Soldaten. Wir sind hier ungefähr 2.200 Mann in einem Regiment vereinigt, Reservisten und Landwehrleute. Aus allen Ecken wurden sie zusammen gewürfelt: Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Bielefeld, Dortmund und Düsseldorf. Der weitaus größte Teil ist verheiratet und ‘ne Masse, was die Landwehrleute anbetrifft, über 30 Jahre. Da kann man mitunter Figuren und Gesichter sehen. Wir liegen hier in Wellblechbaracken, bei der guten Witterung geht das ja noch an, aber wenn’s schmieriges und kaltes Wetter ist, dann ist’s doch nix genaues. Bin hier mit 17 Mann auf der Stube, alle Sorten, wie man sie sehen will. Bin zur Zeit ganz allein hier, alles ausgeflogen, jeder seinem Vergnügen nach. Da finden sich immer Bekannte zusammen und dann wird losgezogen, aus einer Kantine in die andere, bis sie entweder genug Geld quitt sind oder die Nase voll haben. Ich selbst habe hier noch keinen Bekannten getroffen und so mit rumziehen, das mochte ich nicht. Ich schrieb zwar am Anfang, es wäre Sonntag. Hier in so einem Soldatenlager würde man garnichts von merken, wenn nicht der Sonntag so ziemlich dienstfrei wäre. Oh welche Lust Soldat zu sein. Es ist nur gut, dass es nicht lange dauert. Der Dienst geht ja ziemlich an, die Kost ist auch einigermaßen und in meiner Strohsackfalle schlaf ich wie ein Graf, aber nicht in den hellen Morgen hinein, da wird schon für gesorgt. 4Uhr, spätestens 5Uhr, heißt’s aufstehen.
Ein Loch haben wir ja schon in die 14 Tage gebrochen. Mittwoch in 8 Tagen sollen wir wahrscheinlich abfahren. Wenn nur bloß die langweilige Fahrt wieder rum wäre, da weiß man zuletzt garnicht mehr, wie man sich setzen soll. …
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