Archiv: 1914-08

Wehrpasseintrag Verwundung 25.08.1914

Hier der Eintrag in Großvaters Wehrpass über seine Verwundung:

Wehrpasseintrag Verwundung
Text:

Komandobehörde,
welche Zusätze einträgt
Zusätze zu den Personalnotizen
(Übungen und Einberufungen, Führung Strafen etc)
Datum
Brigade Ersatz –
Bataillon 42
41. gem. Ers. Brig.
8.Ersatz Div.
25/8
14
War vom 9.8.14 (8. Mob-Tag) bei der 3. Komp.
eingezogen.
Führung; gut
Strafen: keine
Verwundet am 28/8.1914 im Gefecht bei Serres.
Hermann
Feldw. Leutnant u. Komp. Führer

(Irrtum vorbehalten.)

Aufgrund der Verwundung wird es dieses Jahr nur noch einen Briefauszug (im November) geben. Das Tagebuch wird Anfang des nächsten Jahres fortgesetzt.

Samstag, den 22.8.1914

Morgens Wecken, Kaffeekochen, Gewehrreinigen, um 11 Uhr abgerückt. 1 Uhr Grenze überschritten mit Hurra bei Melotin. Hier sah man, dass die Franzosen doch heftigen Widerstand geleistet hatten. Das ganze Feld war mit Schützengräben durchzogen und Verhaue und Hindernisse waren reichlich vorhanden. Die vielen weggeworfenen Ausrüstungsgegenstände, womit die Straßen reichlich versorgt waren, zeigten den Weg an, den der zurückgehende Gegner genommen hatte.

Besonders fielen uns die Unterkunftsstätten auf, die sie sich allenthalben gemacht hatten, die reinsten Laubhütten. Der französiche Soldat führt nämlich nicht, wie der deutsche, seine Zeltausrüstung stets bei sich, sondern baut sich, wo er gerade lagern will, seine künstliche Hütte. Zu diesem Zweck hauen sie einfach leichtere Bäume ab und stellen mit dem Holz regelrechte Hütten zusammen. Diese werden nun mit Ausnahme einer Seite, welche gewöhnlich die rückwärtige ist, ringsum und oben mit Zweigen, Stroh, Frucht oder was sie sonst dergleichen erwischen können abgedeckt, bieten also gegen die Witterung wenig Schutz.

2½ Uhr Biwag bezogen bei Richcour, Zelte gebaut und Wasser geholt, während dessen schon wieder alarmiert, fertig gemacht zum Abrücken, um 5 Uhr abmarschiert Richtung Lunneville. Dort und bei Nancy war nämlich der Kampf in vollem Gange und wir sollten zur Entscheidung noch eingreifen. Im Eilmarsch gings vor über Arracourt, aber noch vor Eintreffen ward uns die Nachricht, dass Lunneville gefallen war. Wir schwenkten nun rechts ab nach Barthelemont, wo wir um 8 Uhr in Massenquartier kamen. 160 Mann in eine Scheune. Es wurde nun noch in den Gärten abgekocht, dann gings wieder rin ins Stroh. Siehe Kriegskalender 22.8.

Freitag, den 21.8.1914

Schon vor dem Morgengrauen erhob sich einer nach dem andern, es wurde doch etwas kühl gegen Morgen trotz der warmen Jahreszeit. Ich hatte ganz gut geruht auf Mutter Erde. Korporalschaftsweise wurde nun Kaffee und Erbsenkonserve gekocht. Ein Teil der Komp. hatte des Nachts nochmal Wasser geholt. Wir lagen auf einem abgemähten Kleeacker, vor uns ein großes Haferfeld und links von uns ein Hochwald. Ich ging nun mit mehreren Kameraden in den Wald, um Holz zu holen zum Abkochen. Mittlerweile war es richtig Tag geworden und nun sahen wir erst, dass der Tag vorher doch viele Opfer gekostet hatte. Allenthalben lagen tote und verwundete Franzosen im Wald und im Haferfeld. Auch verschiedene französische Drückeberger kamen nun ans Tageslicht, die natürlich von uns gefangen genommen wurden. Es war doch schwer gekämpft worden, die Felder sahen aus ganz schauderhaft. Nur schade vor die Ernte. Um 7 Uhr wurde abgerückt. Von der Komp. fehlte ein Mann, war spurlos verschwunden. Wir kamen an dem Gehöfte vorbei, welches des abends hell in Flammen stand. Es war dies eine große Anlage, jedoch leergebrannt war die Stätte, kahle Mauern und rauchende Trümmerhaufen zeugten noch von der Größe des Besitztums. Das Vieh lief herrenlos umher und das geflügelte Federvieh flog ängstlich um sein altes Heim. Immer weiter gings der Grenze zu bis wir nachmittags um 4 Uhr in Marsal ankamen. Es war dies ein festungsartiger Ort, welcher früher wohl Verteidigungszwecken gedient hatte. Hier wurde wieder Notquartier bezogen in einer Scheune, welche zu einer Wirtschaft gehörte, wo wir des Abends den Rotwein uns gut schmecken ließen. Überhaupt lebten wir dort ganz gut, es wurde gut und reichlich gekocht.. Es sah sehr kriegerisch aus dort, ein richtiges Lagerleben. Überall brannten die Feuer auf der Sraße und besonders die Hühner mussten daran glauben. Siehe Kriegskalender 21.8.

Donnerstag, den 20.8.1914

Morgens noch alte Stellung. Es wurde etwas Kaffee gekocht. Im Übrigen sorgte jeder selbst für seine leiblichen Bedürfnisse. Teils wurde Obst von den Bäumen längs der Straße heruntergeholt, das ja in Massen vorhanden war oder auch es wurden Kartoffeln ausgemacht und in der Asche gebraten. Ungefähr um 7 Uhr sahen wir die ersten französischen Gefangenen, 8 Mann ziemlich schmächtige, heruntergekommene Leute in verlotterter Uniform, Infanteristen. Die Leute machten überhaupt einen schlechten Eindruck in ihren bun-ten Fetzen gegen unsere grauen Uniformen.

Gefecht Richtung Dieutze-Saarburg in vollem Gange. Kanonendonner auf der ganzen Linie. Aufgebrochen 2 Uhr nachmittags Richtung Dieutze. Komp. als Spitze vor, später am Schluss der Brigade angeschlossen. Nun ging’s immer vorwärts. Vorne war das Gefecht in vollem Gange. Es ging über verschiedene Ortschaften weg und allmählich sah man auch die Spuren gewesener Kämpfe. Allenthalben waren Hindernisse beseitigt und die vielen weggeworfenen Uniformen und Ausrüstungsstücke zeugten grade nicht kolossaler Kampffreudigkeit der Gegner. Auch gab’s da schon zerschossene Protzen, tote Pferde und so allerhand zu sehen, welche wohl von Granatfeuer überrascht worden waren und manchem von uns wurde es doch etwas anders zumute, hat doch schon manch einer ein Stoßgebet zum Himmel geschickt zum Schlachtenlenker. Kamen nun durch den Ort Rotalgen, dessen Kirche als Notlazarett eingeräumt war, worin die ersten Schwerverwundeten von den vorrückenden Bayern waren. Mittlerweile wurde nun unsere Division auseinander gezogen und ging in Gefechtsordnung als Reserve vor. Es ging durch dick und durch dünn, durch Kraut und Rüben. In den Haferfeldern, wo zu Ausbruch der Feindseligkeiten die Ernte im Gange war, hieß es besonders aufgepasst. Hatte doch der Gegner allenthalben Stacheldraht zwischen gespannt. Doch es ging gut. Kamen nun durch den Ort Hiederfingen, der schwere Spuren des Kampfes aufwies. Schon von weitem sah man den Kirchturm halb zerschossen in die Luft ragen, allenthalben brannte es, auch lagen hier und dort die ersten toten und verwundeten Franzosen. Wir rückten immer weiter auf eine Anhöhe hinter Hiedersingen, wo wir denn auch, weil es mittlerweile dunkel geworden war, liegen blieben.

Es war so 9 Uhr abends. Nun sollte abgekocht werden und wir rückten ab, Wasser zu holen, was aber später, der Nähe des Feindes halber, unterblieb. Dieses Wasserholen werde ich auch mein Leben lang nicht vergessen. Im Dunkeln, die ganze Division an einem Brunnen in Niederfingen, hin und wieder Gewehrfeuer in nächster Nähe, dazu das Knistern und jeweilige Aufflackern der abgebrannten Gebäude, dabei herrschte ein Tumult, nicht zu beschreiben. Alle Truppenteile, auch die Berittenen mit ihren Pferden, Jeder wollte der erste sein. Ein Drängen, Schreien und Fluchen sondergleichen. Nach zweistündigem Drängen gelang es uns endlich, wenn auch teilweise mit leeren Kochgeschirren, zur Komp. zurückzukommen.

Es wurde nun eine frugale Abendmahlzeit eingenommen. Zu 3 Mann eine Konservenbüchse kalt, ein Stück Brod und ein Schluck Wasser. Sodann wickelte sich jeder in seinen Mantel und Zeltbahn und streckte sich auf die Erde nieder bei seinem Gepäck. Es war ein wunderschöner Abend. Ich steckte mir deshalb noch eine Cigarre an und konnte so ungestört meinen Gedanken nachhangen. Vor uns brannte ein großes Gehöft lichterloh. Die Flammen schossen nur so garbenförmig gegen Himmel. Dazwischen ab und zu das Gewehrfeuer der Posten und Patrouillen, dazu ein wundervoller Sternenhimmel. Die Sterne schauten so friedlich hernieder, als ob der größte Friede herrsche und ich gedachte der Lieben zu Hause. Eine eigentümliche Stimmung beherrschte einen und es kam mir unwillkürlich das bekannte Lied in den Sinn: Am Sternenhimmel seh ich Dein Bild usw.. Schließlich schlief ich auch ein und war noch im Traum zu Hause. Siehe Kriegskalender 20.8.

Mittwoch, den 19.8.1914

Im Dunkeln, etwa 4 Uhr geweckt, jeder seine sieben Sachen zusammengenommen und fort ohne Kaffee zum Sammelplatz. Um 5 Uhr Abmarsch. Marschtour bis mittags 4 Uhr, bei Freialtdorf Biwak bezogen. Unser Bataillon kam auf Vorposten und unsere Komp. erhielt Vorposten-Reserve. Den ganzen Nachmittag Kanonendonner auf der Linie Metz-Saarburg. Es wurden nun Zelte gebaut und abgekocht. Auch wurde abwechselnd ein Schützengraben ausgeworfen als Verteidigungsstellung für die Komp. Um 9 Uhr war’s Schluss und es hieß ins Stroh verkrochen. Jedoch dauerte die Herrlichkeit nicht lange, denn schon um 11 Uhr mussten die Zelte, infolge falschen Alarms, abgebrochen werden und lag man nun die ganze Nacht da im Freien rum. Siehe Kriegskalender 19.8.