Archiv: Briefe

Brief: Jagodina (Serbien), 14.Januar 1917

Die Fahrt in den Osten
….. Haben hier aus irgendwelchen Gründen eine Fahrtunterbrechung gemacht und sollen wahrscheinlich morgen weiterfahren. Sind gestern Mittag 11 Uhr hier angekommen. Die Fahrt von Dienstag morgen 3 Uhr bis Freitag 11 Uhr mittags ist ganz glatt abgelaufen, wenn auch unser Wagen nur den ersten Tag geheizt war und auch die Beleuchtung nicht länger hielt. Sind eben rauh gewohnt.
Die Fahrt war auch ganz interessant. Allerlei Länder und Völker lernt man kennen. Nur schade, durch sämtliche Hauptstädte wurden wir des Nachts durchgeführt. München, Wien, Budapest und Belgrad. Das interessanteste ist hier noch Serbien. Da kann man noch Allerhand sehen. Würdest Dich wundern, wenn Du sehen könntest, wie hier fast die halbe Bevölkerung, ob jung oder alt, mit blanken Füßen duerch den Dreck watet. Die Füße sehen aus wie ein paar richtige Sauklopen. Der weitaus größte Teil der Serben lebt aber auch in sehr beschränkten, ärmlichen Verhältnissen und fühlt sich im Dreck am wohlsten und daran fehlts hier nicht im Geringsten. Die Leute sind auch sehr sehr ansruchslos. Für ein bischen glänzenden Tand, Zucker und Zigaretten kann man von denen alles haben. Wer hier Zucker im Besitz hat kann ordentlich Eier essen. Im Einzelnen kostet das Stück 25-30 ch. Grundverdorben scheint das Volk auch hier zu sein. Ist ja auch nicht anders zu erwarten bei den vorherrschenden Verhältnißen. Die kann man noch nicht mit der Beißzange anpacken. Einzelne Ausnahmen gibts ja auch darunter …. Was kriegt man nicht alles zu sehen und zu hören in diesem Krieg. Heute fängt hier für die ganze slavische Bevölkerung das neue Jahr an. Auch ists Sonntag heute, aber nur die Natur scheint ihn zu feiern, denn es ist herrliches Wetter. Wir merken nichts davon, haben zwar weiter keinen Dienst. Morgen solls dann weiter gehen über Nisch, Sofia, von hier entweder nach Bukarest oder Braila, Galatz (Drobrutscha)

Brief: Darmstadt, den 24.12.16

Die dritte Kriegsweihnacht
Oh du selige, oh du fröhliche gnadenbringende Weihnachtszeit!
Ausgerechnet heute auf Hl. Christnacht bin ich auf Wache kommandiert worden.
Da sitzt man nun wieder auf dieser elenden Bude und könnte mit Gott und der Welt in Kriegszustand treten. Doch Friede den Menschen auf Erden! Wenn auch alle Welt sich in den Haaren liegt, so will ich mir dadurch doch nicht ganz und gar die Stimmung verderben lassen. Wenn die Nacht sich hernieder senkt und Erinnerungen in uns wachrufen an vergangene Zeiten, an die Tage der Kindheit dem wir allem jetzt, wenn auch mit stiller Wehmuth entsagen müssen, so muß uns die Hoffnung doch wieder beleben an bessere Zeiten. Wenn auch die Zukunft noch verschwommen und in grauen Nebel getaucht voruns liegt, so muß es doch einmal wieder eine gesegnete Weihnacht geben. Es muß einmal Frühling werden. Diese Zeiten der Prüfung nehmen auch mal ein Ende, auf daß man das: „Friede den Menschen auf Erden“ aus voller Kehle wieder singen kann. Ich meine unser Herrgott müßte doch bald mal ein Einsehen haben mit der schwer gestraften Menschheit. Es ist in dieser Zeit doch wahrlich schon genug Jammer und Elend in die Welt gekommen. Es sind eben bittere Gedanken, die einem an solchen Tagen in dieser Zeit befallen. Man hat ja alle Ursache auch noch so mit seinem Schicksal zufrieden zu sein; so manches hoffnungsvoller lebenslustige Menschenherz hat ja inzwischen ewigen Frieden gefunden. Wer am besten abgeschnitten hat ist ja unserer Kurzsichtigkeit vorenthalten.
Da brauch man nicht zu sagen:“Gott straf mich“, denn so ’nen Christabend habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Ich glaube, es wird doch so werden, wie ich in Frankfurt schon hörte, dass wir am 4.1.17 erst ausrücken. Aber was mich freut, haben wir jetzt wenigstens ein anständige Quartier. Jeder sein Bett alleine (blütenweiß) schönes, helles, großes Zimmer, Kanapee u.s.w. und morgens gibt’s auch Kaffee.

Brief: Fürth, den 25. März 1916

…… Was die Verwundung anbelangt, so gefährlich und schmerzhaft ist das nicht nur glaube ich, dass es etwas langwierig wird und das schadet ja nicht, habe ja nix zu versäumen. Man kann das eben nicht leicht beurteilen. Der Splitter kam eben von oben und ich lag auf der rechten Seite in dem Erdloch mit dem Kopf auf einem franz. Tornister. Das Loch war 1,20m tief und lagen mit 5 Mann drinnen. Hatten oben Zeltplanen drüber gespannt, denn kalt war’s und es hat auch fast die ganze Nacht sinnig geschneit. Wir kamen des Abends dorthin und lagen nur die Nacht dort in Reserve. War ein Bergabhang. Mit Einbruch der Dunkelheit setzte heftiges Art.-Feuer auf uns ein, da die Franzosen und nicht mit Unrecht in den Schluchten unsere Reserven vermuteten. Wir allerdings wähnten uns ziemlich sicher an dem Abhang, da die Franzosen ihr Feuer doch nicht direkt über uns ausschütten konnten. Haben uns doch getäuscht und bekamen ziemlich Verluste. Na dieses ganze Konzert war uns ja nix neues, legten uns hin und hundsmüde wie wir waren schliefen wir auch baldigst feste.
Ich wurde nun des Morgens durch einen Schlag gegen die rechte Brustseite geweckt und wir alle, da das Art.-Feuer wieder feste um und über uns im Gange war. Ich war nicht anders der Meinung, als sei mir ein Stein durch eine einschlagende Granate an die Brust geflogen. Als der Schmerz aber nicht nachließ, im Gegenteil stärker wurde hatten meine Kameraden keine Ruhe, steckten eine Kerze an und sahen nach; da hatten wir die Bescherung. Der Splitter flog oben durch die Zeltbahn, durch die Decke, welche ich übern Kopf gezogen hatte, durch den Mantel, durchschlug den obersten Waffenrockknopf, ging durch Unterjacke und zwei Hemden und drang 2 Fingerbreit unterm Schlüsselbein, 4-5cm rechts von Mitte Brust in dieselbe ein und sitzt nun wie die Röntgenbeleuchtungen ergaben an der dritten Rippe zwischen zweiter und dritter. Das ist ungefähr 4cm weiter rechts etwas unterhalb der Einschußwunde An der Wunde nun hatte ich immer keine besonderen Schmerzen aber weiter rechts wo der Splitter sitzt. Aber am 4. oder 5. Tag, wie ich hier war, hats Luft gegeben. Da hatte der Eiter den Weg durch den Einschuß gefunden. Da kam denn so allerhand Zeug raus, auch ein Fetzen Stoff kam mit. Aber seit der Zeit hab ich ziemlich Ruhe, kommt auch fast kein Eiter mehr raus.
Aber den Splitter fassen, das ist die Kunst, so kleine Dinger die rutschen zwischen dem Fleisch rum, da muss so’n Arzt schon mal Glück haben und an so ’nem Platz kann man auch nicht immer wie man will.

Brief: Fürth, den 19. März 1916

……. Mit dem Magen das bessert sich schon so langsam, der ist auch da draußen in letzter Zeit nicht verwöhnt worden. Gefrorene Wurst- und Fleischspeisen, desgleichen Kaffee und Wasser in Feldflaschen, musste man auch erst die Decke durchstoßen. Wasser mit Gas- und Verwesungsgeruch und dergleichen mehr. Die Blutzirkulation in den Füßen hat sich auch wieder so ziemlich ans Klima gewöhnt…….
…… Und mit der Wunde muss ich mal sehen was es da gibt; ist schon schwer Dreck und Eiter raus gekommen. Morgen soll ich geröntgt werden. Bin jetzt den ganzen Tag auf und wieder ziemlich mobil. Eile wieder felddienstfähig zu werden habe ich auch bei Leibe nicht. Das könnte sich hinziehen bis es Frieden gäbe; habe wahrlich die Nase voll in jeder Beziehung.

Brief: Fürth, den 15. März 1916

….. Am 13.1. hieß es fertig machen wird verladen mit unbestimmter Adresse wohin. Und so kamen wir dann in die Nähe von Verdun und die ganzen Vorbereitungen die hier getroffen wurden ließen darauf schließen, dass hier etwas im Werke wäre. wir wurden vorläufig in einem Orte untergebracht in Massenlagern wo die Läuse nur so hausten. Gleichzeitig wurde strengste Postsperre eingeführt. Wir hatten nun den 15.1. Nun hieß es Behausungen bauen, wenn wir nicht im Freien liegen wollten; aus der Ortschaft mussten wir raus. So ging’s dran und haben uns Barackenlager gebaut im Walde aber aus lauter dort gewachsenem Holze (bataillonsweise). War auch allerhand und dann die Witterung und die Wege. Am 23.1. mussten die halbfertigen Baracken bezogen werden. Als ja mal alles richtig fertig war, haben wir ja ganz mollig dort gewohnt. Ist einfach Tag und Nacht gestocht worden. Als wir so.weit waren gab’s wieder was anderes; wir mussten nun vorne Stollen bauen und Stellungen ausheben und am 12.2. sollte es dann losgehen. Es wurde uns der Armeebefehl des Kronprinzen verlesen, der Befehl zum Angriff; aber leider hat sich die Geschichte der ungünstigen Witterung halber noch bis zum 22.2. hingezogen und ich glaube das war nicht gut, sonst wären wir heute weiter wie so. Wir mussten nun in der Zwischenzeit die Straßen ausbessern, die durch den kolossalen Betrieb in einen ganz jammervollen Zustand geraten waren.
Am 21.2. morgens 9 Uhr endlich fingen die Geschütze an zu singen und es ging nun Tag für Tag unter erbitterten Kämpfen immer ein Stück weiter vor. Und von dem Tag ab haben wir denn auch ununterbrochen Tag und Nacht unter freiem Himmel gelegen bis zum 10.3. des morgens, wo ich dann verwundet wurde. Und nun bin ich hier seit dem 12.3. nachmittags. Die Verwundung ist an und für sich nicht gefährlich, wär ich nur sonst in Ordnung. War man so lang draußen kerngesund kommt dann in so Krankenbuden, wird man erst krank. Mit den Füßen sind zwar nicht erfroren, aber das reinste Feuer war drinnen, wird sich wohl bald wieder machen. Dann den Magen hab ich mir total verdorben durch den Wechsel, muss mich halt die erste Zeit kolossal in acht nehmen, überhaupt, die ganzen Knochen sind mir wie zerschlagen. Die Wunde 2 Finger breit unter dem Schlüsselbein ungefähr in der Mitte zwischen Hals und Schulter hat die Größe von einem Zweipfennigstück und sieht sehr gut aus. Die ganze rechte Brustseite ist ja gefärbt. Aber etwas rechts von der Wunde muss der Splitter wohl drin stecken, hab ich immer so Schmerzen, denn ich habe auf der rechten Seite gelegen, als ich so sanft geweckt wurde.