Archiv: Briefe

Villers, den 13. September 1915

… Wenn man das bedenkt wie gestern war Sonntag, ein herrlicher Tag und wir hocken hier drunten in den Kellern, denn oben ist’s nicht geheuer. Hier 1000 Meter hinter der Front als direkte Reserve heißt’s bei Tag dauernd, wenn nicht unbedingt nötig, unterirdisch gehaust, denn ganz unverhofft kommen die Liebespakete geflogen und hat auch schon mancher dran glauben müssen, der zu vorwitzig war. Aber bei Einbruch der Dunkelheit geht bei uns erst das Leben an. Dann wird überall gewühlt wie die Ameisen. Wird auch hier und da einer vom Geschick ereilt, alles Krieg. Mitunter sind als Nachts die Puppen am tanzen, das man meint die Hölle wäre los und manche Nacht ist’s fast kirchenstill. … Eben sind die Franzmänner auch wieder schwer am reinpulvern. Jagen mitunter paar hundert Geschosse tagsüber hier rein. Das ganze Ding ist so nur noch ein Trümmerhaufen. In fünf Tagen gehen wir wieder vorne hin in Stellung, und kommen dann wenn Gott will nach acht Tagen wieder mal nach Roye, auch zum 8 tägigen Aufenthalt. Da wird auch in letzter Zeit wieder mehr reingeflammt. Das beruht eben alles auf Gegenseitigkeit. Wenn wir irgend eine Stadt hinter der franz. Front beschießen dann bekommen wir regelmäßig auch Antwort. Die Art Tätigkeit ist ja seit einigen Wochen bedeutend lebhafter im allgemeinen aber noch immer dasselbe.

Brief: Balâtre, den 12. August 1915

… hat mir mein Nachtessen des Abends noch mal so gut geschmeckt wenngleich es diesen Abend sehr frugal war: Trocken Brot, 1 Becher schwarzer Kaffee, 1 Stück trocknen Käse und 1 rohe Zwiebel, allerhand was? Im großen Ganzen haben wir nur gute Verpflegung, können mit zufrieden sein. Sitze eben hier im Pferdestall wo wir am arbeiten sind und uns auch häuslich niedergelassen haben und der Gaul wehrt mir mit dem Schwanz die Mücken, denn die gibt’s hier massenhaft. Wenn der Tag rum ist, will man auch sehen was gearbeitet worden ist. Alles für 53 Pfennig.

Brief: Balâtre, den 1. August 1915

… Dass ich so lange nichts von mir hören ließ, hat seine Ursache darin, dass ich seit dem 26.7. nach hier bis auf weiteres kommandiert bin zwecks Herstellung von Unterkunftsräumen und Ställen für Mannschaften und Pferde. Und war dies die ersten Tage so ’ne Jagd, dass ich überhaupt nicht zum Schreiben kam. Dies sind alles so Sachen, die bei uns immer wieder mal vorkommen, drum nur nicht gleich immer Gedanken gemacht, wenn die Post mal nicht regelmäßig kommt. In dieser Beziehung ist’s vorne in Stellung am allerbesten, hat man meistens bei Tag immer etwas geregelt Zeit zum Schreiben. Balâtre liegt etwa 1 1/4 Wegestunden noch hinter Roye und ist ja in mancher Beziehung bedeutend besser als vorne. Vor allem ist man hier aus der Feuerzone. Trotzdem wollte ich ja nicht hierher, bin lieber bei der großen Familie vorne. Dieses Geschäft bin ich ja schon lange recht satt, aber was ist da zu machen. Kopf hoch, Parole heißt aushalten. Heute ist nun schon ein Jahr verstrichen seit der Mobilmachung und der Schluss Wann und Wie??? ….. Haben die letzten Tage wieder schönes Erntewetter. Hier ist ringsum alles im Betrieb mit Feldarbeiten schon für die nächste Aussaat. Sogar gefangene Russen in letzter Zeit bis dicht hinter die Front zum Arbeiten. Sonderbares Gefühl im Lande ihrer Bundesgenossen als deutsche Kriegsgefangene arbeiten zu müssen. Fühlen sich aber ganz wohl dabei.

Brief: Frankreich, den 15.Juni 1915

Zwanzig Wochen sind nun schon wieder vorüber, seitdem ich die Heimat (nach dem Urlaub) verlassen. Wer hätte das gedacht vor Jahresfrist und kaum liegen noch 6 Wochen Zeitraum dazwischen, so wird es schon jährlich, dass dieses alle Ideale über’n Haufen werfende Völkerringen am Gange ist. Zwar ist schon viel geleistet worden in dieser Zeit wo ringsum alles über uns herstürzte, aber die Zukunft birgt doch noch so manches in ihrem Schoß, was uns noch vorläufig verschlossen ist, so dass wir uns noch gar kein Bild machen können, wann, wie und wo einmal das Ende dieses Dramas ist. Es wird da gar viel geredet so oder so, das sind doch nur alles Kombinationen, die sich tagtäglich können ändern. Das sieht man wieder an Italien und was es mit dem ganzen Grobzeug auf dem Balkan noch gibt, soll mich auch noch wundern. Es ist doch eher keine Ruhe bis nicht Alles sich gegenseitig in den Haaren hängt. Da kann man auch mit Recht sagen: das Ende trägt die Last. Was ist da zu machen. Kopf hoch und immer das Beste gehofft von einem Tag auf den andern. ‚Nen Anfang hat der Rummel genommen, muss es auch ein Ende geben. Drum deutsches Herz verzage nicht, unser alter Herrgott wird auch mal den Schwindel satt werden, eines Tages muss es doch mal heißen:“Das Ganze Halt!“……Dies Jahr kamen wir Mittwochs Abends nach 12 Uhr hundsmüde aus Stellung nach hier. Andern Morgens 7 Uhr beim Wecken hieß es, wer in die Kirche gehen will, in einer Stunden antreten, natürlich war ich dabei (Fronleichnam). Nun ging“s aber Marsch-Marsch, dass man proper wurde und dann nach der circa 35 Minuten von hier rückwärts liegenden Kirche in Carrépuis, denn hier die Kirche liegt ja total in Trümmern.

Brief Schützengraben, den 24.4.15 Geschrieben in „Villa zum feuchten Eck“

… Wir sind nun heute wieder den vierten Tag in Stellung, aber nicht wo wir die letzte Zeit immer waren im „Felsengebirge“, sondern etwas weiter rechts, wo ich das erste mal war über die Fastnachtstage. Ist aber nicht mehr so schlimm wie damals. Haben das Artilleriefeuer nicht mehr so auszuhalten und verleben einen ganz schönen Tag hier. Wie lange wir hier bleiben ist noch nicht bestimmt, erst hieß es 8 Tage, dann 12, jetzt 16 Tage, also ungewiss. Bleibt sich ja auch gleich, wo wir die Zeit rum bringen. Von hier aus gehts wahrscheinlich wieder nach Roye und dann kämen wir wieder ins Kreidegebirge, wo wir die letzte Zeit immer waren.Es soll mich mal wundern wie lange dieses Leben noch dauern soll. In 4 Wochen haben wir schon Pfingsten. Ich meine es müsste doch bald mit Gottes Hilfe Schluss geben entweder Biegen oder Brechen. Unsere Gegner machen ja alle Anstrengungen um uns zu bemeistern, soll ihnen aber schwer gelingen, die werden sich doch alle die Hörner abrennen. Die französischen Heerführer prophezeien und prophezeien sie würden uns in etlichen Wochen zum Land hinaus gejagt haben, werden sich wundern, macht für die schlechte Fortschritte im Gegenteil opfern die ungeheure Massen Menschen und bezwecken nix dabei Ja, das ist der Krieg in der furchtbarsten Bedeutung des Wortes. Hoffentlich kommen wir alle mit Gottes Hilfe heil aus diesem mörderischen Wirrwar heraus. Jetzt lernt man erst und mancher leider zu spät die goldenen Zeiten des Friedens zu würdigen und wird wohl auch mancher seine Nutzanwendung für später machen. Die Witterung ist eben nicht gerade so schön wie die Zeit her ist die letzten Tage etwas rauer geworden, tut aber nichts, wenn’s nur trocken bleibt ist für uns die Hauptsache. Bei trockener Witterung ist’s hier in den Schützengräben, Kreuz- und Quergängen ganz schön auch hier und da gärtnerische Anlagen und Blumenschmuck. Aber auch das gerade Gegenteil sobald es einen vierten Tag regnet, denn hier ist alles Lehmboden. Liege jetzt hier mit noch drei Mann in unserer Villa, harmoniert alles sehr gut. Habe soeben 4 Uhr je 1 Kochgeschirr mit Kaffee und Bouillon gekocht und heute unsere zweite Mahlzeit als Frühstück, Mittagessen und Vesper eingenommen. Um 7 Uhr gibt’s warmes Abendessen. Essen meistens nur dreimal im Tag, schaffen ja eben nicht viel. Führen ein faules Leben. Aber wenn gegessen wird, wird auch richtig gegessen.