Weißer Sonntag, was ruft der Tag für Erinnerungen in uns wach. Jahre sind entschwunden im ewigen Weltenmeere wie im Fluge und was hat sich doch in diesem Zeitabschnitt vieles verändert. Ich meine es wäre erst gestern gewesen als ich vor nunmehr 15 Jahren zum ersten mal zum Tische des Herrn ging. Damals hätte man sich noch nicht träumen lassen was man jetzt alles auf diesem buckligen Weltenpanorama erleben muss. Das waren damals noch Tage harmlosen Glücks. Nun mit Gottes Hilfe werden auch diese Tage der Prüfung vorübergehen. Also hoffen wir weiter mit Gottvertrauen. Ich meine unser Herrgott müsste doch auch bald ein Einsehen haben und dieses blutige Völkerringen zu einem für uns hoffentlich guten Abschluss bringen Morgen ist hoffentlich für dieses mal der letzte Tag hier in Stellung. Es wird auch Zeit, dass man wieder mal zurückkommt, dass man wieder mal halbwegs Mensch wird. 3 Wochen nicht gewaschen, nur wie ’ne Katze, keine frische Wäsche und Tag und Nacht keine Ruh; und auch noch über Ostern und Weißen Sonntag, ist als allerhand Stand da in dem Blatt ein Gedicht drinnen „Die Läusejagd“, hat uns allen sehr gefallen, hat sich schon jeder abgeschrieben. Ist sehr zutreffend nur noch nicht scharf genug. Das Viehzeug kann einem aber auch was peinigen. Wenn man des Nachts so ruhig auf Posten steht und die Biester sind in Bewegung, machen Einzelmarsch auf dem Buckel rum oder Laufschritt in den Stiefeln auf und ab, dann könnte man am liebsten aus der Haut fahren. So klein wie das Dreckzeug ist, die können Hundert Esel wild machen. Da ist das beste Mittel lausen und immer wieder lausen. Manche, die kolossal empfindlich sind, sehen aus wie die reinste Landkarte am ganzen Körper von lauter Kratzen und Jucken. Und doch ist immer Spaß bei der Sache, einer tut sich übern andern lustig machen beim lausen, ist als zum Wälzen. Bringt alles der Krieg mit sich, machs einer anders, wir können deshalb nicht weglaufen.
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Brief: Ostermontag, 5.4.15 Geschrieben zu Villa „Walsfriede“ im Schützengraben aus dem Stellungskrieg vor L’Eschell bei Roye
….. Uns war nämlich jeglicher brieflicher Verkehr verboten seit circa 10 Tagen und auch seit gestern wieder zugelassen. Warum, weiß ich selbst nicht, ob im Interesse der Heeresleitung oder Postverwaltung, bleibt sich ja auch einerlei. Durften auch auf keiner Karte dergleichen was vermerken, sonst wurde sie vernichtet. Außerdem nicht angeben wo wir zur Zeit liegen, kein Ort und keine Stellung Es kann ja auch möglich sein, dass die ganze Korrespondenz mal unverhofft momentan revidiert wurde, denn manche Kerle schreiben ja auch einen solchen himmelschreienden Quatsch, dass sich das Briefpapier fast bäumt unter dem Mist, der drauf gemalt wird. Machen nur ihren Angehörigen das Herz schwer. Und dabei haben die meisten noch nicht mal nen leibhaftigen Franzosen gesehen. Bin doch auch nun schon 10 Wochen wieder im Felde, hab aber bis heute noch keinen Schuss abgefeuert. Wird auch viel renommiert von den Vaterlandsverteidigern bei Freunden und Bekannten, wollen sich ein bisschen wichtig machen die junge Soldaten. Denn es sind doch noch keine 10 Prozent gediente Leute mehr im Regiment. Meistens Ersatzreservisten, Rekruten und Kriegsfreiwillige Heute Ostermontag auf Frankreichs Boden und der Himmel macht ein Gesicht wie der reinste Aschermittwoch, es regnet die meiste Zeit des Tages, wenn auch nicht feste, ist aber alles schmierig. Welche krassen Gegensätze, vorige Ostern und jetzt, wer hätte das gedacht und noch ist kein Ende zu sehen. Hatten ja die letzte Zeit immer recht schönes Wetter, bei Tag schön warm, trocken; des Nachts allerdings etwas kalt meistens gereift und mondhell, was uns immer am liebsten ist, denn die Nächte dauern immer am längsten und wenn’s ein bisschen hell ist, dann geht die Zeit doch eher rum. Bei Tage wird uns die Zeit nicht lange, fliegen nur so herum, ehe man sich umguckt ist Abend. Will mal so ’ne kleine Tageseinteilung vorführen: Morgens um 6 Uhr sind die Nachtposten zu Ende. Die Nachtzeit geht von Abends 8 bis Morgens 6 mit je 2 Stunden Ablösung. Da kommt man nun des Nachts 1 oder auch 2 mal dran abwechselnd je nach der Einteilung. Und die Tageszeit dauert eben von Morgens 6 bis abends 8. Wir sind nun hier oben auf unserm linken Flügel als Untofz.-Posten 1 Untofz. und 11 Mann sollen eigentlich 12 sein, würde auch besser klappen beim Einteilen. Müssen des Nachts nun bei jeder Nummer 3 bzw. 4 Mann stellen. Bei Tage steht immer 1 Mann. Kommen nun des morgens die Nachtposten vom Dienst, so wird geweckt, dan Revier gereinigt. 7 Uhr müssen 2 Mann Kaffee holen, dann wird Kaffee getrunken. 7.30 bis 8 Uhr Gewehrreinigen, dann 2-3 Mann Holz holen für Küche und für unsern Ofen aus Villers, welches 1/2 Stunde zurück liegt, 1 Mann Post holen, 1 Mann Lebensmittel, schließlich noch ein paar Mann zum Arbeiten oder die Landser legen sich in eine Ecke und schlafen oder es wird gelaust, was so ziemlich abwechselnd den ganzen Tag geschieht. Da Kann man als Bilder sehen, die Krieger so halbwegs im Adamskostüm im Schützengraben und suchen die Läuse, die hier massenweise vertreten sind. Dann wird’s so ziemlich Mittag. Dann wird wieder gefuttert, etwas Kaffee oder dergleichen gekocht, K-Brot und Fettiges dazu. Des Mittags schreiben, schlafen, Posten stehen mitunter auch etwas freier Meinungsaustausch, freie Diskussion, Luftschlösser und Heimatgedanken. Dabei kommt der Humor immer zu seiner Geltung und zwar der richtige Galgenhumor, auf dass einem der Kram nicht ganz zum Hals raus kommt. 6Uhr gibt’s warmes Essen und noch Kaffee oder dergleichen. 8 Uhr geht der Nachtdienst los. Was nicht Posten steht muss meistens noch schanzen bis 11 Uhr. Des Morgens mitunter auch schon von 4 Uhr ab. Dazu des Tags über öfters Konzert mit Haubitzen und Kanonen auf Gegenseitigkeit und fast dauernd Gewehrfeuer und dabei fühlen wir uns sauwohl, wenn sonst nichts dazwischen kommt. Also wir sind nun wieder seit 22.3. hier im Schützengraben und werden auch wahrscheinlich noch 8 Tage hier bleiben. Kommen dann vielleicht wieder nach Roye.
Brief: Languevrisin, den 27. Februar 1915
25.2. im Schützengraben abgelöst worden nach 17tägiger Dauer und kamen nach 5stündigem Marsch morgens 5 Uhr hier in Languevrisin an, wo wir auch vorläufig bleiben werden. Hörte was von 14 Tagen, dann wirds wohl wieder in Schützengroben gehen. Liege hier im ersten Häuschen von dem Ort, 1 Uffz. und 16 Mann. War eine kleine Bauernwirtschaft hier. Die Wirtsstube ist unser Heim. Haben uns gleich eine Partie Stroh geholt, ist unser Lager und Feuer brennt den ganzen Tag im Kamin. Sitze eben an dem alten Büffet und schreibe. Neben mir spielt eine Partie Karten und die andern liegen ums Feuer herum auf dem Stroh und singen heimische Weisen. Die Leute sind ja auch noch hier nebenan in der Stube, Mann und Frau im mittleren Alter und 2 kleine Kinder. Das Ort hier ist überhaupt noch ziemlich bewohnt und beim Vorgehen auch möglichst verschont worden. Die Leute müssen mit ihrem Los eben zufrieden sein. Hier liegen in jedem Haus dauernd eine Masse Soldaten, wenn die einen fortgehen, kommen wieder andere. Für die Einwohner ein trauriges Leben. Hier liegen auch so 25 Hessen begraben. Hier ist auch viel Landwirtschaft, muss alles wieder so ziemlich seinen Gang gehen, sind extra Soldaten kommandiert, die mit den hiesigen Einwohnern gemeinsam die Felder bebauen müssen. Unsere Logiewirte sind sehr freundlich mit uns, was wollen sie auch machen, fahren so am besten dabei, denn was wir entbehren können und zuviel haben, geben wir ihnen Bei uns ist jetzt jeden Tag Exerzieren, Apells und dergleichen wie in der Garnison
Brief: Frankreich, 13. Februar 1915
… Die Witterung ist in letzter Zeit auch nur Günstig. Bei Tag meistens trocken und trübe mitunter auch schönster Sonnenschein und wenn man so die Lerchen trillern hört, meint man es herrsche der tiefste Friede bis einem die platzenden Granaten in die rauhe Wirklichkeit zurückrufen. Des Nachts wars von Anfang stockfinster, in letzter Zeit, es herrscht eben zunehmendes Licht ists meistens mondhell und sternenklar, des morgens Nebel oder stark gereift. So fließt das Leben hier dahin, wenn wir nicht so stark befeuert werden, wechselt Arbeitsdienst, Wache und Patroullie miteinander ab. Andern falls liegen wir in unsern Löchern. Habe jetzt meine dritte Klause, aus den ersten beiden bin ich ausgezogen, hat mir zu viel nach Pulver gerochen. Gefecht haben wir noch keins mitgemacht, kommen auch nicht so leicht dazu, denn wir liegen hier auf 5-600m schon seit Anfang Oktober fest verschanzt gegenüber und wurde von Seiten der Franzosen im November ein Angriff gemacht, wurden aber mit blutigen Köpfen abgeschickt.
Brief: Villa Franzosenzauber, den 10. Februar 1915
… Bin nun jetzt den dritten Tag hier im Schützengraben und habe mich in die Geschichte hier nun so ziemlich eingelebt. Sitze momentan hier in unserer Villa „Franzosenzauber“, wie ich unsere Erdhöhle mal vorläufig getauft habe, Hieß früher „Sperlingslust“ konnte mir aber nicht gefallen. Heute Abend wenn wir alle 6 Mann, die hier ihr Heim haben, beisammen sind wird sie entgültig getauft.
Also wie gesagt, sitze eben hier auf meinem Bett, meine Decke ist der Schreibtisch auf meinen Knieen, mit dem Notizbuch als Unterlage und schreibe Dir die paar Zeilen. Nun will ich mal kurz beschreiben wie unser Heim aussieht. Ist ein Erdloch von 4m Länge und 2 1/2m Breite, ist 1,60m hoch, kann also nicht grade drin stehen. Der Fußboden ist Lehm, die Wände sind Lehm, hier und da ein Pfosten zwischen als Stütze für die Decke. Diese ist mit Balken und Trägern abgedeckt mit Wellblech drauf und dann noch so nen 1/2 bis 3/4m Erde drauf. Die Tür ist so ne Art Saustallstür mit ner halben Fensterscheibe drinnen. Als einziges Stück Möbel haben wir son Stück Ufchen. Unsere Betten sind direkt auf dem Boden. Zwei Bündel Stroh sind unser Lager für 6 Mann und der Tornister als Kopfkissen. Jeder Mann hat auch eine Decke. Als Wanddekorationen dienen die Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Das Brot wird an eine Kordel gebunden und an die Wand gehängt und oben zwischen die Balken wird der andere kleine Kram gelegt. Tisch und Bank ist Luxus; man kommt zur Tür rein oder besser gesagt kriecht rein und schon liegt man an seinem Platz. Hunger braucht man keinen zu leiden und der Dienst ist auch nicht übermäßig stramm. Morgens um 8 Uhr wird Kaffee getrunken, der hier unter der Erde von der Komp. gekocht wird, kommt auf den Mann 1/2 Liter. 1/2 9 ist Gewehrreinigen anschließend müssen die Gänge und Laufgräben rein gemacht werden. Von 1- 5 1/2 ist Arbeitsdienst. Um 7 wird abwechselnd Essen und Kaffee bei der Feldküche geholt, die bis eine halbe Stunde hinter den Schützengraben herankommt. Im Laufe des Taces muss man 1 1/2 Stunde Posten stehen im Schützengraben und im Laufe der Nacht muss man 2 mal 1 1/2 Stunde Posten stehen vorm Schützengraben und des morgens noch im Dunkeln abwechselnd Wasser und Holz holen, dass die Franzmänner nix merken. Wenn nur blos die Witterung trocken ist, sind wir schon zufrieden. Wenns auch hier regnet, dann ists schön gewesen, dann bleibt man stellenweise als im Dreck stecken. Dann sieht man aus wie ein Backsteinmacher und noch was schöner. musste schon mancher aus dem Dreck ausgegraben werden. Brot gibt es auch genug und Liebesgaben werden auch ziemlich verteilt auch zum Razchen. – Nor koa Engst