… Des Mittwochs morgens war Kirchgang aus Anlaß des Kaisergeburtstag in Carrépuis, aber wenn man die Gotteshäuser hier betrachtet kann man auch sagen: Mein Haus ist ein Bethaus, doch ihr habt es zu einer Räuberhöhle gemacht. Wie überall hier alles aussieht; alles Verwüstung und Zerstörung, macht Ihr euch keinen gar keinen Begriff. Des Mittags 3 Uhr sind wir von Waucrurt nach Roye umquartiert, wo wir wohl auch hoffentlich bleiben werden bis wir in Schützengraben kommen
Archiv: Briefe
Briefauszug Frankfurt, den 6. Januar 1915
… Steh ich in finstrer Mitternacht so einsam auf der stillen Wacht kann ich auch heute wieder singen, das erstemal wieder seit 6 1/2 Jahren. Bin nämlich als Posten auf Zeppelinwache, jetzt gehts wieder los. Wir wurden am Montag wieder untersucht und ich als Garnisonsdienstfähig befunden. Wollten mich sogar felddienstfähig machen, wogegen ich mich natürlich sehr wehrte, denn 40 Mann von unsrer Komp. gehen diese Woche -wahrscheinlich Samstag- wieder fort.
Mache nun seit Dienstag wieder Dienst. Werde dann auch wahrscheinlich übernächsten Transport mit müssen, läßt sich leider nix dran machen. Müssen noch andere Leute mit raus, die viel schlechter dran sind als ich Ich weis garnicht wie verschiedene Leute ein Glück damit (mit der Musterung) haben, die leichter weggekommen sind als ich. Hier in Frankfurt täten sie am liebsten gleich wieder alle Krüppel ins Feld schicken.
Heute war auch Dreikönigstag, hier nix von gemerkt; ist mittlerweile ja schon rum, haben schon 1/4 nach 12, um 3 Uhr muss ich wieder auf Posten bis 5. Sind hier mit 37 Mann auf Wache heißts etwas aufgepaßt. Bin von jetzt ab alle 2. oder 3. Nacht auf Posten, da weiß ich auch was schöner ist
Frankfurt, den 24.11.1914
Nach Beendigung der Lazarettzeit, Brief aus der Ersatzkompanie:
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Wurde dann von dort, weil ich vom Regt.81 eingekleidet war, nach hier überwiesen. Hatte dann das saumäßige Glück, und gerade mit noch 35 Kameraden, in die 4.Komp. zu kommen. Unsere Komp. ist nämlich die Allerverrufenste im Bataillon. Besonders was die Freiheit anbelangt ists für Soldaten, wie ich einer bin, ganz mau. Da gibts nämlich Felddienstfähige, Garnisondienstfähige, Revier- und Schonungskranke, wo ich auch zu gehöre, und dauernd Untaugliche. Urlaub gibts so fast keinen und wer keinen Dienst mitmacht erst recht nicht. Aber da flöt ich lieber drauf als dass ich mir die Knochen verplotze. Ich mach vorläufig überhaupt nix mit. Kann ich ja auch nicht. Geh jeden Tag mit noch ein paar Mann nach dem Städtischen Krankenhaus. Da werden dann so allerhand mechaniche Bewegungen gemacht und massiert. Auch zwecklos. Die Zeit kann da allein bloß heilen an den Knochen.
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Sonst im Großen und Ganzen hat man ja Herrentage. Schaffe nix. Es ist aber auch sonst nix. Nicht wie im Spital, ein nettes Bettchen und gutes Essen, von Liebesgaben ganz zu schweigen. Hier gibts Fußlappensupp, schwarze Kaffee blank, ein Deckchen auf dem Bett, alles das wir nicht feldmarschmäßig schlafen gehen, das wir nachts nicht verfrieren. Da wird nicht lang hm hm gemacht, das ist eben die Prosa des Soldatenlebens. Die ersten zwei Tage kam mir das wieder ganz spanisch vor, da war ich auch nicht gut zu sprechen drauf, aber jetzt gehts schon wieder, man ist ja nicht alleins, der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. …
Aus dem Feldlazarett, Landau, den 5.9.1914
Gestern noch auf stolzen Rossen, heute durch die Brust geschossen – so heißts bekanntlich in dem Lied. So hats auch uns gegangen. Des einen Tags noch gesund und munter, dass man die Welt hätte aus den Angeln hätte heben mögen, und ein paar Stunden weiter liegt man auf der Erde wie ein Häufchen Elend.
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Obwohl es mir kolossale Schwierigkeiten macht, will ich Euch doch nicht im Ungewissen lassen und über alles aufklären. Sitze im Bette, auf den Beinen ein großes Buch, auf dem der Briefbogen liegt. Habe den rechten Arm mit dem Handgelenk in der gesunden linken Hand liegen und fahr so mit der Hand immer zum Schreiben vor- und rückwärts. Die rechte Hand ist ja auch gesund, nur das Ellbogengelenk, da haperts.
Nach mancherlei Entbehrungen, Märschen und Strapazen, was ich jetzt nicht alles einzeln anführen will, rückten wir am Dienstag den 25.8. morgens 6 Uhr in unser erstes Gefecht, welches für mich und wohl die meisten von uns vorläufig das letzte ward, denn schon kurz nach 8 Uhr war ich schwer verwundet. Wir rückten ins Gefecht erst über weites Feld und durch ein Walddickicht, wo man fast nicht durch konnte ohne feindliches Feuer. Erst am Waldrand bekamen wir Feuer von französischer Infanterie. Aber das hatte keine Not, denn die schießen so schlecht, sollten sich besser das Lehrgeld wiedergeben lassen. Also gings durch, immer vor. Wir lagen in der Schützenlinie, aßen weiße Rüben frisch vom Acker, denn hatten lange nichts mehr unter die Zähne gekriegt und machten unsere Witze. Die Franzosen konnten sich nicht halten in unserem Feuer, hatten kolossale Verluste und gingen unaufhaltsam zurück. Wir immer feste hinten drauf. Auf einmal änderte sich das Spiel, denn plötzlich bekamen wir französisches Artilleriefeuer von drei Seiten und unsere Artillerie war zu schwach, vollständig ohnmächtig dagegen. Es regnete förmlich Schrapnells auf uns. Es sind dies Artilleriegeschosse, welche hauptsächlich auf Infanterie angewendet werden. Die Geschosse sind gefüllt mit lauter kleinen Kugeln von Blei oder Kupfer, explodieren über den Köpfen und fliegen dann strahlenförmig auseinander. Wer im Bereich von so einem Geschoßfeuer ist, kann sich mit unserem Herrgott schon ins Reine setzen; dann ist Zeit. Also wie gesagt, als wir Artilleriefeuer bekamen liefen wir immer Zick-zack möglichst den Geschossen aus dem Weg. Wir waren schon ziemlich nahe an der feindlichen Stellung ran. Ich lief momentan ganz allein, bis auf 10 Meter links und rechts war keiner. Da kam ich grad in eine volle Schrapnellladung rin. Ich glaubte, es hätte mit jemand den rechten Arm abgehauen am Ellbogen. Das Gewehr flog aus der Hand und ich um wie ein nasser Sack. Jetzt merkte ich, dass ich in der rechten Hüfte auch einen Schuß hatte und Schmerzen dort im Arm wie rasend. Ich hab gejammert wie ein Hund.
Nun hab ich mir meinen Tornister mal vom Rücken geschafft und mich längs hingestreckt, den Kopf auf dem Tornister. Zu allem Glück hatte ich ne Feldflasche voll Rotwein bei mir, welche mir den Tag über sehr von statten kam. Später machte ich mir die Zeltbahn und Mantel mit der linken Hand überm Kopf her los, legte mir die Zeltbahn über die verwundete rechte Körperhälfte, dass die Sonne nicht so auf die Wunden brennen konnte, und deckte mich mit dem Mantel zu. Das Koppel konnte ich nicht aufmachen mit einer Hand und so schnitt ich es denn mit der größten Anstrengung durch. So lag ich denn da, hilflos und verlassen, annähernd 13 Stunden unter jämmerlichen Schmerzen im stärksten feindlichen Feuer; jeden Augenblick dachte ich jetzt ists aus, aber es hat doch noch gut gegangen, Unkraut vergeht eben nicht.
Abends habe ich dann vorüberkommenden Patrouillen gute Worte gegeben, dass sie mich mitgenommen haben. Die packten mich in die Zeltbahn und schleppten mich fort zum Verbandsplatz, der eine Stunde entfernt war. Und was ich da ausgehalten hab und die nächsten Tage, wo wir mit dem Leiterwagen von einem Ort zum andern gefahren wurden, das geht auf keine Kuhhaut drauf. Habe zwei Schuß im rechten Armgelenk und einen Schuß in der rechten Hüfte. Ein Schuß schlug mir den rechten Stiefel unten in den Falten durch, Fuß blieb unverletzt und ein Schuß schlug mir die Scheide vom Seitengewehr durch. Jetzt sind wir wieder mobil.
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Brief vom 13.8.1914
Mobilmachung
Homburg, den 13. August 1914:
… Wünsche bloß, Du wärest mal hier und könntest mal ’nen Blick in die Kaserne und besonders in die Stuben werfen. Da ist aktive Dienstzeit Gold dagegen. Wir liegen in den Fallen ohne Betttuch und Überzüge auf dem Strohsack richtig kriegsmäßig, schlafen aber trotzdem wie die Grafen. Da wird schon für gesorgt. Und wir sind dabei noch gut dran, auf anderen Stuben liegen sie direkt im Stroh, auf deutsch gesagt, wie im Säustall. Aber drum immer kreuzfidel. …
Aber schön gehts hier zu, immer anschließend Dienst, schön warm Wetter, alle Stunde ein nasses Hemd. Die Drillichjacke ist mein Handtuch. Wir haben schon mehr Lumpen verpaßt, gestern abend zuletzt die feldgraue Uniform. Wir sind jetzt vollständig kriegsmäßig ausgerüstet. Glaube aber doch so bald nicht, man kann zwar nix zu sagen. Es ist mir auch einerlei.Die meisten Leute hier sind von Bezirkskommandos Höchst-Griesheim und Umgebung. Da wird jeden Tag die Kaserne belagert von den Weibern nebst Kindern, die bei ihren Soldatenpapa wollen. Wir sind immer wohlgemut … nur immer Kopf hoch. die Siegesnachrichten mehren sich ja schon, es müsste ja auch komisch zugehen, wenn’s anders wäre. …
Hier geht’s richtig kriegsmäßig zu, von morgens 4 – ½5 bis abends 9 Uhr. Aus der Kaserne dürfen wir auch nicht und hier gibts bloß Wasser und Limonade. Habe mich deshalb als Bursche bei einem von unseren Leutnants gemeldet. Kann ich doch wenigstens, wenn wir ein paar Minuten Zeit haben, als mal in die Stadt schlüpfen und ein paar Glas Bier trinken. Denn Brand hat man eben immer, könnt man im Tag nen Eimer voll trinken. Will mich auch jetzt in die Klappe legen, ist schon bald ½11 Uhr und die andern sind schon feste am Holz sägen. Liegen hier mit 20 Mann auf der Bude, rennt einer bald den andern um. …